21. Juli 2016 Nach Engilchek oder Inyltschek – doch es geht nicht weiter!
Als ich gestern Abend nochmal nach den Sternen schauen wollte und das UFO öffnete, leuchtete der Vollmond wie ein Scheinwerferlicht.Er strahlte deutlich die Berge um uns an.Heute Morgen wurden wir wieder einmal vom Rauschen eines Gebirgsflusses geweckt. Rings um uns bunte Gebirgsblumen bis in Höhen von 3500 m. Unser Ansturm auf den 3822 m hohen Chong Ashau-Pass konnte beginnen. Nach der ersten Anhöhe kam wieder ein breites Flusstal an dem etliche Familie mit ihren Tieren auf Sommerweiden sind. Aktuell ist Schafschurzeit. An einer Stelle schauten wir bei der Arbeit zu, ein harter Job. Hier wird noch ohne Elektoscheren gearbeitet. Alle müssen mit helfen, auch die kleinen Jungen. 800 Tiere stehen hier, die geschoren werden sollen. Die Wolle wird dann von Händlern abgeholt. Die Männer blicken kurz auf von der Arbeit und freuen sich, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren.
Wir fahren weiter. An einer Gebirgswand sehen wir einen Vortrieb in den Felsen und eine kleine Abraumhalde. Dort hat man sicher auch mal nach Gold oder einem anderen Bodenschatz gegraben.
Ganz oben vor dem Pass stehen noch Schneewände, letzte Überreste der winterlichen Schneemassen. Hier soll der Schnee im Winter bis Brusthöhe liegen und -35 Grad sein. Das Schmelzwasser der Schneereste war von heute Nacht noch gefroren. Wir hatten in knapp 3000 m auch nur 4,7 Grad.
Als wir ganz oben auf dem Pass ankamen, bot sich uns ein phantastischer Blick auf den Hauptkamm des Tienschan mit 5000 und 6000ern vor der chinesischen Grenze.
Bevor wir weiter fahren, entdecken wir ein Wohnhaus und große Garagen. Hier wohnt der Straßenwart für die A 364 bis Engilchek mit seiner Frau das ganze Jahr. Er befreit die Straße winters wie sommers von Schnee und Steinlawinen. Eine harte Arbeit, wie wir später noch sehen werden. Er läd uns zum Tee ein, doch dann kommen Verwandte zu Besuch und wir fahren weiter. Ein Mann lacht schallend als ich ihm erkläre, dass wir mit dem Auto von Deutschland bis hierher gekommen sind. Er meint, er habe hier oben noch nie einen Deutschen mit Auto gesehen. Dann sind wir eben die ersten!
Rasch geht es talwärts bis auf 2600 m Höhe, das Gelände wird wieder offener, ringsum grünt es und der Fluss Ottuk begleitet uns jetzt. An seinen Ufern erblicken wir immer wieder Herden und Jurten und überall ist Schafschur.
Aus einem anderen Tal kommt ein viel mächtigerer Gebirgsflusses, der Sari-Jaz oder Sary-Dshas, was „Gelber Neuer“ bedeutet. Er nimmt den Ottuk in sich auf und beide fließen am Ende bis China, wo sie in den Tarim münden um nach der Bewässerung vieler Felder im Tarimbecken in der Taklamakanwüste zu versickern. Was für eine Aussicht für einen stolzen Gebirgsfluss! ☹️
Am Zusammenfluss von Ottuk und Sari-Jaz steht ein riesiges altes Steinezerkleinerungsschiff. Wie das dahin geraten ist? Und welchen Sinn es hat? Vielleicht damit die großen Steine bei Hochwasser weiter unten nicht die Straße wegschlagen. Denn wenige km weiter wird das Tal sehr eng und die Straße hat schon erschreckende Auswaschungen. Oder ist die Monstermaschine zum Goldwaschen? Das wäre auch möglich. Wir müssen mal das Internet befragen.
Und jetzt sehen wir auch, welche gewaltige Arbeit der Straßenwart mit seiner sicher nicht mehr sehr modernen Technik leisten muss. Auf ungefähr 15 km gibt es in dem inzwischen engen Flusstal von den überall extrem morschen Hängen Erdrutschungen von Schlamm bis Monsterbrocken. Bei Regen möchten wir hier nicht durchfahren. Übrigens bestätigte uns der Straßenwart noch einmal, dass die A 364 hinter Kara-Say durch einen Erdrutsch verschüttet sei.
Inzwischen vermute ich auch, dass wir ab Kara-Say ohne Sondergenehmigung sowieso nicht weiter gekommen wären. Es gab solche Hinweise, die wir nicht richtig verstanden haben.
Dann weitet sich das Tal, der Sari-Jaz verbindet sich mit dem ebenfalls gewaltigen Fluss Engilchek. Hier sind 20 Grad, ein richtiger Wärmekessel zwischen all den riesigen Berggiganten. Wir sehen sie am Talausgang. Unser Herz frohlockt.
Doch dann können wir von einer Anhöhe auf den Ort Engilchek sehen und uns packt das blanke Entsetzen – ein Ruinenort. Von 10 000 Einwohnern sind noch 500 übrig geblieben. Alle Industrieanlagen zerstört oder zerfallen.Plötzlich stehen wir vor einer Schranke und Militärkontrolle.
Fremde dürfen nur mit einer Sondergenehmigung in die Gletschertäler auf Grund der Nähe zur chinesischen Grenze.Wir sind enttäuscht. 102 km bis hierher von Ak Bulak und dann das.
Das müssen wir erst einmal verdauen. Aber hier bleiben, auf gar keinen Fall. Zurück bis zu einer schönen Gebirgswiese und das möglichst schnell, denn über uns ziehen sich Regenwolken zusammen und in der Mausefallenschlucht wollen wir da nicht stecken.
Wir fahren in Windeseile 17 km zurück und finden eine wunderschöne Wiese mit Rundumblick. Die Murmeltiere pfeifen zur Begrüßung und die Adler fliegen eine Schaurunde. So verschmerzen wir langsam, das wir in Engilchek kein Geld in einer netten Stolovaja auf unser Bergfest ausgeben konnten. So feiern wir halt mit den Murmeltieren Bergfest hier im Tienschan mit inzwischen
12 000 gefahrenen km und 12 Wochen unterwegs. Und das ganze jetzt noch mal. 😀😜😀
Wir wünschen für den 2.Teil alles Glück dieser Welt.
Michaela und Jürgen